Die Scheidung

Tja, Leute, was soll ich sagen? Nach fast 43 Jahren in einer turbulenten aber glücklichen Ehe musste ich diese Verbindung leider heute auflösen. Zumindest temporär. Kraft des mir verliehenen Amtes werde ich sie hoffentlich irgendwann wieder vereinen, doch erstmal ist jetzt Schluß mit lustig. Mein ehrenvoller Scheidungshelfer Henni unterstützt mich heute tatkräftiger als wir dachten bei der Trennung von Karosserie und Motor-/Getriebeblock. Der letzte  und bisher einzige Motor, den ich aus einem Fahrzeug ausgebaut habe war übrigens ein 50ccm aus einer Vespa. Der wiegt ca. 15kg und passt locker in einen Umzugskarton der Größe M. Der hier... uff... der wiegt 225kg und passt gerade mal so auf eine Euro-Palette. Unbeteiligte könnten also durchaus meinen, Übermut oder Satan himself hätten Besitz von mir ergriffen. Aber ich denke mir: irgendwie ist das Ding ja auch von Menschenhand da rein gekommen, dann kann es ja nicht so schwer sein, das wieder rückgängig zu machen!

 

Also, wie geht man bei so einer Premiere vor? Kurioserweise ist der Ausbau in allen mir bekannten Anleitungen nicht wirklich präzise beschrieben. Da steht dann sowas wie „trennen Sie alle Verbindungen zum Motor“. Ach was!?! Dass ich den Motor nicht mit allen Anhängen rausziehe, ist wohl klar! Aber wo genau verstecken sich denn die Verbindungen? Denn wie sich im Laufe eines anstrengenden aber lustigen Abends herausstellen sollte, gibt es einige, die auf den ersten Blick nicht zu sehen sind (zumindest nicht bei meiner 40 Jahre alten ölverschmierten Bude).

 

Um die Scheidung soweit es mir alleine möglich ist vorzubereiten, habe ich schonmal alle Schläuche, Kabel und das Gasgestänge vom Motor entfernt. Der Dämpfer am Getriebe war eh schon lose und auch die meisten Schläuche waren schon gelöst oder gar nicht mehr vorhanden, da ich ja schon im Vorfeld den Kühler und seine Anhänge ausgebaut hatte. Das Gasgestänge hatte ich im letzten Jahr schonmal ausgebaut, daher war das auch kein Problem. Am unteren Ende (also da, wo das Gestänge aus dem Fahrgastraum herauskommt) hat das Gestänge an beiden Enden eine Kunststoffkugel, die jeweils mit Federkraft in Führungen gehalten werden. Also einfach feste gegen eines der Enden drücken und vorsichtig herausfädeln. Die übrigen Stangen sind allesamt geclipst und können so mit leichtem Druck voneinander gelöst werden. Somit hänge es jetzt noch an den Kabeln. Bei einem 70er Jahre Fahrzeug ist das erfreulich wenig. Und doch reicht es, um Fehler zu machen. So habe ich aufgrund meiner Ignoranz einen kleinen Riss im Nockenwellensensor verursacht. Ich sag’s wie es ist: ich habe einfach zu spät erkannt, um was es sich handelt und dachte zuerst, es wäre ein Stecker, den man einfach abziehen kann. Gut, war es nicht... jetzt ist wie gesagt ein Riss drin. Der lässt sich aber flicken, ich glaube nicht, dass der Elektronik dadurch irgendwas passiert ist.

 

Ist alles von oben Erreichbare gelöst, geht es mit Motordämpfern und den Lagern weiter. Von den Dämpfern gibt es zwei an der Zahl, die jeweils nur mit zwei Muttern gekontert sind. Da ich noch alleine bin, löse ich die Dämpfer nur und lasse sie so an ihrem Platz. Gleiches mit den Lagern. Durch diese ist der Motor mit dem Fahrzeugrahmen verbunden, und zwar mit zwei brachial wirkenden Schrauben. Ich löse die beiden und warte dann auf meinen Buddy Henni, damit er mir notfalls die letzte Salbung geben kann, wenn mir der Motor auf den Kopf fällt.

 

Als er dann eintrifft, gehen wir direkt zu zweit ans Werk. Den Motorkran habe ich schon an der richtigen Stelle positioniert und die Traverse ist ausgerichtet. Mit Ketten wird der Motor an den drei dafür vorgesehenen Ösen befestigt. Und dann kann es auch schon losgehen. Die aus meiner Sicht größte Herausforderung bestätigt sich schnell: da ich es im eingebauten Zustand aufgrund verrosteter bzw. rundgedrehter Schrauben nicht geschafft habe, die Krümmer und Hosenrohre vollständig zu entfernen, hängen diese jetzt noch am Motorblock. Sie sind zwar teilweise und etwas beweglich, aber das wird eine ganz enge Kiste. Und so ist der Ausbau im wahrsten Sinne des Wortes Millimeterarbeit und wir machen die sprichwörtlichen 3 Schritte vor und 2 zurück (oder 2 vor und 3 zurück??!). Und nach gefühlt nur wenigen cm Luftgewinn hakt es dann auch schon komplett. Kabel übersehen. Müsste das für den Kickdownschalter am Getriebe sein. Klar, die Kabel unten zu sehen ist bei meiner recht kleinen Bühne deutlich schwieriger als oben... nun gut, das Kabel ist schnell weg und es kann weiter gehen. Zumindest weitere 11 bis 11,5mm. Dann hakt es wieder. Suchen, Schläuche beiseite schieben, fluchen, Bitburger trinken, suchen... die Tachowelle war es diesmal. Jepp, ist weder Schlauch, noch Kabel, noch Gasgestänge, also ist sie bei meinen Vorarbeiten verschont worden. Danach geht es ein gutes Stück voran. Wir neigen den fetten Block nach und nach in die 45° Stellung, um ihn aus der -eigentlich sehr langen aber dann trotzdem noch zu kurzen- Öffnung der Motorhaube herauszuheben. Und zack... wieder einmal hakt es. Dieses mal richtig fest, es bewegt sich keinen mm mehr. In meiner Erinnerung hat die Suche nach der Ursache des Problems Dekaden gedauert. Mindestens aber ein Bier lang. Schließlich haben wir gelernt, dass auf der Unterseite der Motor mit einem daumendicken Massekabel mit dem Fahrzeugrahmen verbunden ist. Klar, der geneigte Leser denkt sich: „Wie kann man das übersehen, wenn es so dick ist?“. Ja, frage ich mich im nachhinein auch. Aber in dem Gewühl an Leitungen und vor allem bei dem Ölschlamm habe ich es einfach nicht als ggf. störendes Teil erkannt. Nach dem Lösen dieses Kabels jedenfalls geht plötzlich alles wie von alleine. Der Motor schwebt elfengleich durch den Raum und landet sicher auf der für ihn vorgesehenen Euro-Palette, wie Jens Weißflog. Blitzlichtgewitter.

 

And that’s all I have to say about that... um es mit den Worten von Forrest Gump zu sagen. Vielleicht noch eins für Leute, die das so wie ich auch vorher noch nie gemacht haben und evtl. Zweifel haben, ob sie sich ggf. mit so einer Aufgabe überheben (im wahrsten Sinne): ohne das Problem mit den noch vorhandenen Krümmern bzw. vor allem den Hosenrohren und wenn ich unter dem Fahrzeug sorgfältiger die Verbindungen untersucht hätte, wäre der Ausbau deutlich einfacher gewesen und wir wären wahrscheinlich nach spätestens einer Stunde fertig gewesen. Es ist also in meinen Augen viel einfacher, als es aufgrund der Bilder, die schon etwas beeindruckend wirken, den Anschein macht.

 

So, und jetzt wird erstmal die Scheidung gefeiert.

 

 

Dauer der Arbeiten: 4 Stunden

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Kommentare: 1
  • #1

    Willi aus LEV (Montag, 20 Juli 2020 15:15)

    Wow, Herr Kollege, ich bin beeindruckt. Ich wünsche weiterhin guten Wirkungsgrad! Auf mal wieder, irgendwann.
    LG
    Willi