Der Klimawandel

Jetzt, wo der Motor endlich draußen ist, komme ich natürlich an viele Dinge gut ran, die vorher nicht oder nur sehr schwer zu erreichen waren. Als erstes natürlich die Krümmer, die sich im ausgebauten Zustand völlig problemlos abnehmen lassen. Und dann ist da noch mein persönlicher Endgegner aus alten Zeiten: der Klimakompressor. An dem habe ich mir einige Stunden die Zähne ausgebissen aber er wollte partout nicht weg aus seiner angestammten Position. Jetzt hat das ölverschmierte Ding keine Chance. Mit der ½ zoll Ratsche und diversen Verlängerungen bzw. Gelenkstücken erreiche ich schließlich alle Muttern der Halterung und nur wenig später liegt der schwere Brocken bäuchlings auf dem Boden.  Dä.

 

Es ist unmöglich zu sagen, ob es sich bei der schwarzen Schlammschicht um Motoröl oder Kompressoröl handelt. Aber angesichts der Tatsache, dass die Klimaanlage komplett leer war gehe ich davon aus, dass die Dichtungen nicht mehr die besten sind. Da es sich bei der Umstellung auf das „neue“ Kältemittel R134a ohnehin empfiehlt, alle Dichtungen zu erneuern, tue ich genau das.

 

Aber zunächst einmal muss der Kompressor gereinigt werden. Ich verschließe lediglich die Schläuche mit Silikonstopfen, dann kommt das gute Teil so wie es ist in den Teilewäscher. Und siehe da, unter der Kruste kommt sogar ein erstaunlich gut erhaltener Hersteller-Aufkleber von Harrison zum Vorschein. Wer hätte das gedacht?! Ich bin ja ein großer Fan von originalen (oder originalgetreuen) Aufklebern auf den Bauteilen. Für mich sind das die i-Tüpfelchen der Restauration, weil es einfach hübsche eye catcher sind, die natürlich Originalität zeigen oder suggerieren. Tom aus dem Sternzeit Forum hat in den letzten Wochen und Monaten dutzende Aufkleber von allen möglichen Teilen penibelst genau nachdrucken lassen und ich glaube, ich habe jeden für mein Fahrzeug passenden davon bestellt (siehe z.B. Zündspule). Ich komme vom Thema ab... also, der Kompressor liegt jetzt hübsch und mit Aufkleber da. Noch hübscher wäre es, wenn er in Einzelteilen da läge. Doch nach ein paar Versuchen muss ich feststellen, dass mir hierfür ein gescheiter Abzieher und ein passender Ausdrücker fehlen. Denn ohne dieses Werkzeug kommt man die Magnetkupplung und die Rolle für den Zahnriemen nicht herunter. Fast hätte ich einen passenden Ausdrücker gehabt, aber leider ist der eine Nummer zu klein. Also muss ich wohl auf Hr. Amazon warten, dass er mir etwas passendes mitbringt.

 

Das tut er auch am nächsten Tag und so kann es weitergehen. Zunächst muss die Mutter gelöst werden, die am Ende der Welle sitzt. Mit dem neuen Werkzeug lässt sich dann die Kupplung butterweich von der Welle drücken. Darunter ist dann ein Seegerring zu sehen, für den man eine etwas längere Zange braucht. Ist der Ring entnommen, kann mein in den Untiefen der Werkstatt  wiederentdeckter Abzieher anrücken und die Riemenscheibe -ähm- abziehen. Darunter liegt ein weiteres Teil (ich denke, gehört auch zur Magnetkupplung), das sich einfach herunternehmen lässt. In der Welle ist ein Filzring eingelassen, der offensichtlich die last line of defence bei etwaigem Ölaustritt darstellen soll. Den pule ich vorsichtig heraus, um ihn danach wegzuwerfen. Ein neuer ist eh im Dichtungsset, also weg damit. Dahinter nun ein weiterer Seegerring, der mitteils einer speziellen Feder die Keramikdichtung an der richtigen Stelle hält. Der Seegerring ist kein Problem, aber die Dichtung bekommt man von dieser Seite nur mit Spezialwerkzeug heraus. Das ist leider nur im Set zu bekommen und da ich zu geizig war, hierfür 150 EUR für einen vermutlich einmaligen Einsatz auszugeben, muss ich improvisieren. Ich nehme also erstmal den Gehäusekopf ab, indem ich die vier Schrauben löse und dann vorsichtig mit einem Gummihammer auf die Ränder klopfe. Ein Dutzend Schläge später liegt der Kopf auf der Werkbank und der Inhalt frei. Was ist das für ein Inhalt? Gar nicht so viel, nämlich Gummidichtungen an beiden Seiten, dünne Dichtungsscheiben an beiden Seiten, ein Ölröhrchen, eine weitere Scheibe (ich vermute zur Steuerung der Taumelscheibe) und schließlich der „Klotz“, in dem die drei Kolben untergebracht sind. Alle Teile sind leicht angerostet, was sicher daran liegt, dass im Kompressor kein Tropfen Öl mehr war. Aber ich denke, das gute Stück sollte trotzdem noch funktionieren. Das Gröbste schmiergel ich ganz vorsichtig ab, aber wirklich nur ganz leicht. Ich habe mal gelesen, dass eine zu gute Reinigung die Hauptursache für Versagen bei diesem Modell ist. Insofern belasse ich es in erster Linie bei einer optischen Auffrischung des Gehäuses mit Hilfe von Brantho Korrux schwarz und der Erneuerung sämtlicher Dichtungen. Zu guter Letzt hole ich noch die Feder aus der Welle, indem ich sie mit einem Schraubenzieher und viel Geduld hin und her drehe. Die Darunter liegende Keramikdichtung kann ich nun von innen herausschlagen.

 

Das Reparaturset enthält alle Gummidichtungen, Filzring, Keramikdichtung für die Welle und die passende Feder dazu. Nachdem der Lack getrocknet ist, fange ich mit dem Zusammenbau an. Die Innereien sind flux zusammengesetzt und die neuen Dichtungen passen wunderbar. Es ist übrigens eine Dichtung im Set enthalten, die bei meinem Kompressor nicht benötigt wird. Ich hatte zunächst Sorge, dass ich eine übersehen habe, aber der freundliche und kompetente Mitarbeiter vom Klima- und Kühlerservice Spandau erklärte mir, dass der nur bei bestimmten Versionen gebraucht wird. Nach dem Anschrauben des Deckels kommt jetzt der spannende Teil, nämlich das Einsetzen der neuen Keramikdichtung. Ich öle sie ordentlich ein, damit ich überhaupt eine Chance habe, sie ohne Spezialwerkzeug an die richtige Stelle zu bekommen. Nach dem Einsetzen schlage ich sie vorsichtig mit einer passenden Nuss und Verlängerung in den Schaft hinein. Ich habe vorher grob ausgemessen, wie tief sie hinein muss. Sollte ungefähr passen. Also Feder drauf, durch Drehung arretieren und dann den Seegering einsetzen. Satz mit x.... passt nicht. Scheinbar ist die Dichtung doch noch nicht tief genug drin. Blöderweise bekomme ich das so nicht mehr auseinander, also muss ich den Deckel wieder abnehmen und alles von Innen herausschlagen. Und natürlich bricht dabei die neue Keramikdichtung. Aaaargh. Das ganze dauerte in Wirklichkeit nicht nur vier Sätze sondern rund 1 Stunde, und somit bin ich leicht angenervt. Die alte Dichtung sieht eigentlich noch ok aus, also nehme ich die und starte den zweiten Versuch. Um es kurz zu machen: ich hatte an jeder Stelle ein deja vu, inklusive der Stelle, an der die Keramik bricht. Keine Ahnung, warum das beim Auseinanderbau so gut geklappt hat... Ich telefoniere wieder mit meinem neuen Freund in Spandau, der das Problem offenbar gut kennt. Er lässt mich gar nicht erst aussprechen sondern erklärt mir genau, was mir gerade passiert ist. Ich bin wohl nicht der erste mit dem Problem. Er bestätigt mir, dass es ohne Spezialwerkzeug nur Glück ist, wenn das klappt. In der Regel hat man keine Chance, da beim kleinsten Verkanten die Keramik eigentlich dem Tode geweiht ist. Es gibt die gleiche Dichtung aber auch aus Metall. Von der Wertigkeit nicht ganz so gut wie Keramik, dafür ist der Einbau unproblematischer. Und ganz im Ernst: bei den wenigen Kilometern, die ich im Jahr mit dem Fahrzeug fahre und dementsprechend geringer Belastung reicht mir sicher auch die zweitbeste Lösung. Also bestelle ich diese Ausführung, die 2 Tage später im Briefkasten liegt. Und tatsächlich, mit etwas Öl an den Rändern lässt sich die Dichtung bedeutend besser einbauen und in Position bringen. Der weitere Einbau funktioniert dann auch fast problemlos. Lediglich das letzte Teil der Magnetkupplung will mit Hausmitteln nicht komplett auf die Welle gehen. Auch mit Erhitzen komme ich hier nicht weiter, dafür brauche ich vermutlich eine Werkstattpresse (die ich leider noch nicht habe). Damit werde ich also nochmal zum Fachmann gehen. Aber abgesehen davon bin ich mit meiner ersten Klimakompressor-Revision sehr zufrieden und ich bin tierisch gespannt, ob sich der Aufwand gelohnt hat und das gute Teil mir irgendwann wieder eiskalte Polarluft ins Auto blasen wird.

 

 

Dauer der Arbeiten: 9 Stunden

 

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