Hexenküche (Level 2)

Vom galvanischen Entrosten angestachelt habe ich mich in dutzenden Bahnfahrten und unter zuhilfenahme von einschlägigen Kanälen auf youtube in ein neues Abenteuer gestürzt. Wagemutig und vielleicht auch etwas verrückt wie ich bin beschloß ich, alleine und ohne Sauerstoffgerät den Olymp der Galvanisierergilde zu erklimmen. Naja, vielleicht nicht bis zum Gipfel sondern nur bis zur Mittelstation, aber immerhin. Verzinken heißt das Abenteuer, das ich in Angriff nehmen wollte. Die Bergstation wäre wohl Verchromen oder Eloxieren, das vielleicht in einem späteren Leben. Aber Teile selber zu verzinken wäre schonmal ein super Anfang, zumal diese Form des Rostschutzes bei einem Ü40 Fahrzeug zweifellos sinnvoll ist. Einige bis viele der ursprünglich verzinkten Teile haben ihre Zinkschicht inzwischen verloren. Natürlich kann man diese Teile kiloweise verpackt zum Galvanisierer bringen, aber dieser wird sich a) nicht über den Auftrag freuen, b) relativ viel Geld verlangen und c) hat man selten mal ein ganzes Kilo Schrauben o.ä. zur Hand, meistens sind es ja doch Einzelteile, die situativ bearbeitet werden sollen. Also, Self-Service ist angesagt.

 

Im Prinzip ist alles was man braucht etwas Strom, jede Menge destilliertes Wasser und Chemie. Die Beschreibung ist vielleicht nicht detailliert genug, deshalb folgt nun für Interessierte die ausführlichere Fassung.

 

Mein Aufbau besteht aus vier Stationen mit jeweils zwei 10l-Eimern, wovon jeweils in einem "etwas passiert", im zweiten wird lediglich mit destilliertem Wasser klar gespült. Die Stationen sind:

  1. Alkalische Reinigung (+ Destilliertes Wasser)
  2. Beizen (+ Destilliertes Wasser)
  3. Zink-Elektrolyt (+ Destilliertes Wasser)
  4. Gelb-Passivierung (+ Destilliertes Wasser)

In der ersten Station wird das idealerweise vorher bereits gründlichst vorgereinigte Teil in einem alkalischen Reiniger chemisch gesäubert und fettfrei gemacht. Hier kann dann auch schon viel schief gehen, wenn man (oder die Lösung) nicht ordentlich arbeitet. Um es vorweg zu nehmen: meine ersten Versuche waren nicht erfolgreich und ich vermute, dass ich hier bereits geschludert habe. Erschwerend kam hinzu, dass so ein alkalischer Reiniger (wie vermutlich alle Reiniger) am besten funktionieren, wenn sie heiß sind. Ich habe bisher leider keine Möglichkeit, den Reiniger zu erhitzen und die ersten Versuche haben in einer offenen Garage bei Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt stattgefunden. Worst Case also. Vom Prinzip her sollte es so sein, dass die zu verzinkenden Teile an einem Kupferdraht befestigt in den Reiniger gehängt werden und dort für eine gewisse Zeit verbleiben. Je länger, desto besser. Danach muss der Reiniger in destilliertem Wasser abgespült werden. 

 

In der zweiten Station werden die Werkstücke nun gebeizt. Dafür müssen sie für ca. 90 Sekunden in einem Salzsäurebad ausharren. Dabei werden zum einen die letzten Rostpigmente gelöst und zum anderen die Oberfläche angeraut, was für den nächsten Schritt wichtig ist. Nach dem Beizen muss die Säure wieder im destillierten Wasser abgewaschen werden. Wichtig: hierfür nicht das destillierte Wasser aus der ersten Station sondern einen separaten Eimer benutzen, damit die Teile nicht durch die Chemikalien der anderen Stationen verunreinigt werden.

 

Jetzt wird's spannend, denn als nächstes folgt die eigentliche Verzinkung. In Eimer Nummer 5 befindet sich Zink-Elektrolyt plus einer weiteren Substanz, die verhindern soll, dass das Elektrolyt trüb wird. Außen am Eimer habe ich mit Kupferdraht zwei Zinkplatten aufgehängt, die die Anoden darstellen. D.h. hier wir später mit einem Trafo positive Spannung gegeben wodurch Zink abgeschieden wird. Das Elektrolyt sollte eine Temperatur von ca. 20 Grad haben. Damit das auch bei winterlichen Temperaturen erreicht wird, hänge ich eine Aquariumheizung in den Eimer (und warte lange bis das arme Teil sein Ziel erreicht hat...). Außerdem habe ich nach den ersten mehr oder weniger erfolglosen Versuche und weiteren Recherchen im Internet zwei Verbesserungen vorgenommen. 1) Zu der Heizung gesellt sich nun noch eine Umwälzpumpe, die das Wasser in Bewegung hält. 2) Die Zinkanoden habe ich in Mullbinden eingepackt, um etwaigen Dreck nicht ins Wasser und damit auf die Werkstücke gelangen zu lassen. An einem Kupferrohr, das quer über dem Eimer liegt, werden nun das oder die Werkstücke an einem Kupferdraht aufgehängt. Hier wird anschließend negative Spannung angelegt, sodass die Werkstücke die Kathode darstellen und das abgeschiedene Zink anziehen und aufnehmen. Jetzt gibt es in diversen Anleitungen diverse Meinung dazu, wie die optimale Stromstärke zu ermitteln ist. Die m.E. hemdsärmelige (aber nicht unbedingt nicht zielführende) Variante ist die, dass die Stromstärke am Trafo von 0 ausgehend so lange erhöht wird, bis Bläschen vom Werkstück aufsteigen. Diese signalisieren, dass ein chemischer Prozess in Gang gesetzt wurde. Die wissenschaftlichere Methode sagt, dass pro dm^2 Oberfläche 2,5 Ampere Strom benötigt werden. Bei gleichmäßigen Werkstücken lässt sich das noch recht leicht berechnen, bei unregelmäßigen ist das vielleicht für den Hausgebrauch zu kompliziert. Ich nutze also je nach Werkstück entweder die wissenschaftliche oder hemdsärmelige Methode ;-)

Egal wie man es macht, eins ist wichtig: bei dem Prozess kann Knallgas entstehen, das -wie der Name sagt- gerne knallt. Ich habe dunkle Erinnerungen an den Chemie-Unterricht, bei dem mich ein solcher Knall einmal brutal aus einem schönen Traum gerissen hat. Aber Spaß beiseite: diese Arbeiten sollte man definitiv nur in gut belüfteten Räumen oder draußen durchführen und außerdem säureresistente Handschuhe, Schutzbrille und Atemschutzmaske nicht vergessen. 

In dem Elektrolyt bleibt das Werkstück nun für mindestens 20 Minuten und lässt sich währenddessen von dem gelösten Zink berieseln und wird dadurch hübsch silbern. So wie man Zink halt kennt. 

 

Nach den 20 + x Minuten erfolgt -ganz vorsichtig- ein weiteres Bad im nächsten Eimer destillierten Wassers. Und dann folgt mit dem Passivieren auch schon die letzte Station, die dem Werkstück den typischen goldenen look verleiht. In dem Eimer befindet sich eine Mischung aus destilliertem Wasser, dem der Gelbpassivator und ein Aufheller hinzugefügt wurden. Darin darf das Werkstück noch einige Zeit abhängen. Laut Anleitung sollte der Prozess nach 20-30 Sekunden fertig sein, aber das halte ich noch für ein Gerücht. Ich habe mir angewöhnt, das Werkstück einfach alle paar Minuten vorsichtig zu prüfen und zurück zu hängen, wenn es mir noch nicht golden genug erscheint. In der Regel hat es bisher immer mind. 5 Minuten gebraucht, bis ich zufrieden war. Vielleicht ist das aber auch nur eine Folge der kalten Umgebungstemperatur.

 

 

Nach dem Passivieren folgt... genau, wieder einmal destilliertes Wasser. Und das war's auch schon. Danach noch Aufhängen, 48 Stunden trocknen lassen und glücklich sein.

 

 

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Kommentare: 2
  • #1

    Willi (Mittwoch, 25 März 2020 21:36)

    Sehr cool Thomas, werde ich auf jeden Fall auch probieren! Danke für die Anregung.
    LG
    W

  • #2

    Thomas (Samstag, 28 März 2020 14:21)

    Mega. Das ist ja absolut ein cooles Projekt und ich bin beeindruckt, was Du soll alles machst.
    TOP!