Exkurs: Ich spiele lackieren lernen

Andere fliegen mit Ihren Kegelbrüdern zum Ballermann oder für ein verlängertes Wochenende zum Auswärtsspiel des FC, ich fahre nach Großräschen. Keine Angst, das muss man nicht zwingend kennen... ist ein relativ kleines Nest in der Nähe von Cottbus, also kurz vor Polen. Ein Nest, wo um 16:45 Uhr die Bordsteine hochgeklappt werden und sich die Restzivilisation auf zwei Gaststätten und eine Tankstelle verteilt, während auf den Straßen gähnende Leere herrscht und nur vereinzelt Heuballen über die Zebrastreifen wehen.

 

Aber genau dahin hat's mich freiwillig verschlagen, weil die Handwerkskammer Cottbus hier einen Lehrbauhof betreibt, an dem ein in meinen Augen interessanter Oldtimer-Lackier-Lehrgang mit dem Titel "Fahrzeuglackierung aktuell" angeboten wird. Interessant deshalb, weil der Fokus laut Beschreibung auf Oldtimern liegt und der Kurs mit 3 Tagen Länge nicht zu kurz und nicht zu lang ist. In meiner Region habe ich nur entweder eintägige Seminare oder solche über mehrere Wochen gefunden. 

 

Hier also ein kurzer Erfahrungsbericht zum Kurs der HWK Cottbus. Der theoretische Teil wurde sehr kurz gehalten, nach 1,5 Stunden ging es zum ersten praktischen Teil. Das macht natürlich Spaß, ist auf der anderen Seite aber trotzdem mein größter (eigentlich einziger) Kritikpunkt an dem Seminar. Denn die grundlegenden Basics "welche Lackarten gibt es?", "welche lassen sich miteinander kombinieren?" etc. wurden zwar kurz angerissen, aber leider etwas zu holprig und obendrein ohne Anschauungsmaterial (Schulungsunterlagen o.ä.), sodass wir mit vielen Fragezeichen in den Praxisteil gegangen sind. Einige Fragen wurden zwar dann im Laufe der Übungen beantwortet, allerdings sind vermutlich noch viele Unsicherheiten übrig geblieben. 

 

In der Werkstatt haben wir alle je einen nagelneuen Kotflügel bekommen. In den hat der Dozent, ein Maler- und Fahrzeuglackiermeister, der seit über 15 Jahren als Ausbilder für die HWK tätig ist, erstmal eine hübsche Delle gehauen. Die galt es nun auszuspachteln. Mit 80er Schleifpapier die Fläche um die Delle bis aufs blanke Metall abschleifen, mit Druckluft und Silikonentferner reinigen und anschließend mit PE-Universalspachtel füllen - abwarten - trocken schleifen. Hier das erste learning: Spachtel kommt direkt auf's Blech und muss nicht vorher grundiert werden. Das liest man im Internet oftmals anders, der Meister sagt ist Quatsch. Das Schleifen ist an der Stelle natürlich die anspruchsvollste Aufgabe, denn wenn die Fläche hier nicht absolut (!!) glatt ist, lässt sich das hinterher nicht mehr retten. Also notfalls schleifen, nochmals Spachtel auftragen und weiterschleifen. Das Schleifen erfolgt nacheinander mit 80er, 120er und 240er Papier. Dabei ist unbedingt darauf zu achten, das die zu schleifende Fläche nach jedem Wechsel des Papiers etwas größer wird. D.h. mit einem feineren Papier wird immer die zuvor geschliffene Fläche plus eine Fläche darum herum bearbeitet.

 

Die Grundierung des Kotflügels, die ab Werk aufgetragen ist, muss mit einem Schleifflies lediglich angeraut werden bis sie gleichmäßig matt ist. Wenn noch irgendwo etwas glänzt, reicht es noch nicht aus. Danach auch hier wieder ordentlich abpusten, mit Silikonentferner entfetten und ab mit dem Teil in die Lackierkabine zum Grundieren. Grundiert wurde mit MIPA 2K Acrylfiller 4+1, d.h. vorher mussten noch Härter und Verdünnung hinzugemischt werden. Dann zum ersten mal eine richtig gute Lackierpistole benutzt (SATAjet 5000 digital HVLP 1.3er Düse - geiles Teil ;-) ) und die erste Schicht aufgetragen. Wichtig dabei: 20cm Abstand zum Werkstück einhalten, erst die Ränder bearbeiten, bei den Flächen immer oben anfangen und dann die Pistole von einer Seite zur anderen ziehen. Die Lackschichten sollten sich dabei zu ca. 25% überdecken. Bei so einem Kotflügel geht das alles recht flott (war auch nur der von einem Polo), so dass wir bald wieder draußen stehen und warten. Learning 2: als Lackierer wartet man sehr oft, meistens eine Zigarettenlänge. Nach eben wenigen Minuten gehts auf zum nächsten Grundiergang, gleiches Vorgehen wie beim ersten mal. Danach werden die lackierten Teile bei 60 Grad gebacken, während wir in die Mittagspause gehen. Nach der Pause ist der Füller so bereits durchgetrocknet, so dass wir mit dem Schleifen loslegen können. Hier geht es jetzt mit 800er Nassschleifpapier ans Werk bis auch die allerkleinsten Riefen, Unebenheiten oder sonstigen Fehler herausgeschliffen sind. Ich bin vielleicht komisch, aber ich mag diese Arbeit. Ist irgendwie beruhigend... Zwischendurch immer wieder die Flächen säubern und wenn man der Meinung ist, dass man fertig ist wird das Ergebnis mit Kontrollschwarz bepulvert. Dann wird so lange weitergeschliffen, bis das Schwarz gleichmäßig wieder verschwunden ist. Dabei erkennt man wirklich sehr deutlich, ob sich irgendwo noch tiefe Stellen befinden oder nicht.

 

Am nächsten Tag wird's farbig. Blau metallic soll es werden und wir verwenden auch hier wieder ein Produkt von Mipa, nämlich 1K Zweischicht-Basislack auf Lösemittelbasis. Die Rechtslage ändert sich hier offenbar mehr oder weniger regelmäßig, denn bis vor nicht allzu langer Zeit durften diese Lacke nicht mehr verwendet werden. Aktuell sind sie aber erlaubt und werden sogar empfohlen, zumindest im Hobby-Bereich und/oder bei Oldtimern. Das Learning hier: 1K Lack auf 2K Grundierung funktioniert. Auch hier sagen diverse Internetforen etwas anderes. Das Auftragen des Lacks erfolgt vom Handling her wie die Grundierung, allerdings in 2,5 Gängen. Bedeutet: zuerst ein ganz schneller Durchgang, bei dem die Fläche nur ganz dünn benebelt wird. Das soll die Haftvermittlung erhöhen. Die beiden Gänge danach ergeben dann die eigentliche Farbschicht und werden im Abstand von ca. 15min aufgetragen. Hier ist es interessant zu sehen, wie sich das Lackbild verändert wenn entweder Abstand zu groß oder Geschwindigkeit zu schnell sind. Der Kenner spricht dann bspw. von zu trockenem Lack. Egal wie das Tierchen heißt, man sieht jedenfalls deutliche Unterschiede zwischen gut und "anders" lackierten Stellen. Das ist wohl auch der Teil, der sich nur durch viel Übung in den Griff bekommen lässt. Aber ein Hexenwerk ist es definitiv nicht, vor allem mit dem richtigen Werkzeug. Damit kommen wir zu Learning 4: die Unterschiede zwischen Baumarkt-Pistolen und Profi-Gerät wie der SATA sind extrem groß. Letztlich hat man das ja bei fast allem Werkzeug, aber hier fällt es sehr viel stärker auf als bei einer Bohrmaschine, einem Schleifer oder sonst einem Tool, mit dem ich bisher gearbeitet habe. Nach der letzten "richtigen" Lackschicht folgt noch eine sogenannte Kontrollschicht. Hier wird nochmals recht schnell/grob und mit nur halbem Druck eine wenig Lack aufgetragen (nur auf die Flächen, nicht die Ränder). Das Ergebnis sieht im ersten Moment gruselig aus und ohne Anleitung hätte ich jetzt direkt den Druck der Pistole wieder erhöht und wäre nochmal drüber gegangen. Aber nach ein paar Minuten haben sich die Lackspritzer tatsächlich absolut gleichmäßig verteilt und sorgen für tollen Glanz. 

 

Nach dem Ablüften wird der Klarlack (Mipa 2K HS Klarlack CC9) aufgetragen. Der Basislack muss nur antrocknen, d.h. an einer nicht sichtbaren Stelle wird mit dem Finger geprüft, ob der Lack noch Fäden zieht. Sobald er das nicht mehr tut, geht's los (in meinem Fall nach ca. 15min). Klarlack kommt in zwei Schichten drauf, auch hier wieder zunächst die Ränder, dann die Fläche. Hier nutzen wir eine ander Pistole (SATAjet 5500 Digital RP), um den Unterschied zwischen HVLP und RP zu erfahren. Ehrlich gesagt fand ich diesen nicht so dramatisch wie er angekündigt wurde, ist wohl eher etwas, das nur Profis direkt merken. 

 

Nach dem letzten Trockenvorgang (natürlich über Nacht, nicht im Ofen) dann Learning 5 am nächsten Tag: eine Lackierkabine ist schon toll, schützt aber nicht 100%ig vor Staub, dem natürlichen Todfeind der Garagenlackierung. Jeder von uns Teilnehmern hatte teilweise viele Staubeinschlüsse in den Kotflügeln. War in dem Rahmen aber gut so, denn dadurch konnten wir auch noch üben, wie man diese entfernt: mit einer Schleifblüte auf einem sog. Stempel wird der Staub ganz vorsichtig (!!) von Hand nass angeschliffen. Die Stelle wird dann matt und man wiederholt das solange, bis es rund um das Staubkorn auch wirklich gleichmäßig matt ist. Oftmals bleibt es rund um das Staubkorn glänzend, dann ist die Fläche noch nicht glatt genug und man sieht die Unregelmäßigkeit anschließend. Wenn man mit dem Schleifen fertig ist, muss die Stelle wieder aufpoliert werden. Wir haben das mit einem Mini-Exzenterschleifer von Rupes und Politur von 3M gemacht. Dabei muss man natürlich sagen, dass eine solche Aktion am Tag nach der Lackierung nicht optimal ist, besser sollte man damit eine gewisse Zeit (mind. 14 Tage) warten, um Kratzer im frischen Lack zu vermeiden.

 

Ein paar Teilnehmer "durften" noch ihre Lacknasen mit 800er Papier nass ausschleifen. Hier ist natürlich doppelte Vorsicht geboten, dass man wirklich nur den Läufer und nicht den guten Lack entfernt. Insbesondere an Kanten, Sicken etc. ist das gar nicht so einfach.

 

Ansonsten war es das auch schon. Eigentlich gar nicht so dramatisch, wenn man weiß wie es geht, gutes Material und gutes Werkzeug hat. Was das Material, also den Lack, angeht, werde ich vermutlich für mein Projekt auch Mipa benutzen, weil es hier im Kurs einfach so gut funktioniert hat, gut aussieht und vom Preis-/Leistungsverhältnis vernünftig ist. 1 Liter kosten ca. 60 EUR, im Gegensatz dazu kostet 1 Liter von Spies Hecker das 2-3fache und ist -laut Dozent- qualitativ kaum zu unterscheiden.

 

Zusammenfassend würde ich sagen, dass "mein" Werkstück zwar perfekt geworden ist, aber das Ergebnis ist deutlich besser, als ich erwartet hätte und natürlich deutlich besser als alles, was ich vorher zuhause in meiner Bastelbude versucht habe. Ein paar Einschlüsse sind noch drin, die müssten noch entfernt werden und dann würde ich mir das Teil an meinen Polo schrauben (so ich einen hätte). Macht also Mut für folgende Projekte, somit Klassenziel erreicht und klare Empfehlung für den Kurs. 

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Kommentare: 2
  • #1

    Willi (Dienstag, 17 März 2020 17:01)

    Oh sehr cool, dann kann ich ja mal zum lackieren vorbeibringen. Ich beeindruckt was Du Dir alles vorgenommen hast. Weiter so!

    LG
    W

  • #2

    Thomas (Dienstag, 17 März 2020 17:57)

    Du darfst gerne was zum Lackieren vorbeibringen. Lass mich nur vorher noch ein wenig üben. Ist in Deinem eigenen Interesse ;-)
    VG
    Thomas