Die Hexenküche

Es gibt im Internet dutzende (vermutlich hunderte) Anleitungen, die erklären, was ich heute vorhabe. Ich bin froh, dass es so etwas gibt, denn der letzte Chemie-Unterricht ist ein paar Tage her und außerdem habe ich hinter der Säule gesessen und musste häufig Kreide holen und habe deshalb nicht allzuviel mitbekommen. Das ärgert mich übrigens heute sehr, genauso wie mein mangelnder Fleiß im Physik-Unterricht. Aber ich denke, so geht es vielen, die erst nach der Schulzeit verstanden haben, wofür man so manches aus dem Unterricht auch im praktischen Leben brauchen kann.

 

Nun denn, heute soll also galvanisch entrostet werden. Ich habe die zu entrosteten Teile so gut es möglich ist unter warmem Wasser und mit Seife gereinigt. Es war nicht wirklich grober Schmutz vorhanden, aber doch noch ein Rest von Fett und Öl. Danach geht's raus an die frische Luft. Bei dem, was jetzt kommen wird entsteht nämlich Knallgas, das -wie der Name sagt- gerne knallt und wenn ich es mir aussuchen kann, dann soll es das lieber im Garten als im Keller tun. Ich habe eine große Kunststofftruhe von Ikea vorbereitet und etwa zur Hälfte mit heißem Wasser gefüllt (ca. 20l). Hierin löse ich Waschsoda auf (ca. eine halbe Tüte). Die Waschsoda besteht aus Natriumcarbonat und so entsteht ein Elektrolyt, also eine leitende Flüssigkeit. Im Keller lag noch ein dünnes U-Profil aus Blech, das recht gut in die Truhe passt und nun eine neue Karriere als Opfer-Anode beginnen wird. Und das in dem Alter, da kann man nur gratulieren. Damit es keinen direkten Kontakt zwischen den zu entrosteten Teilen und dem U-Profil geben kann, lege ich ein paar Werkstattlappen auf den auf dem Boden liegenden Teil des Profils. Den relativ stabilen Draht eines alten Kleiderbügels lege ich quer über die Truhe und befestige daran für jedes zu entrostende Teil einen dünnen Draht, dessen anderes Ende um jeweils ein Teil gewickelt wird. Die Länge des Drahtes ist so gewählt, dass die Teile vollständig von Wasser bedeckt sind und möglichst nicht den Boden berühren. Es passen nicht alle Teile gleichzeitig rein, deshalb erledige ich die Arbeit in mehreren Schritten. So, jetzt muss nur noch Strom her. Das Batterieladegerät ist nicht die optimale Lösung, aber da sich ein Labornetzteil noch nicht in meinem Besitz befindet, sollte es für's erste genügen. Plus kommt an die Opferanode, Minus an den Kleiderbügel (und damit an die zu entrostenden Teile). Ladegerät an uuuuuuuund.... blubber blubber blubber. Geil! Ich freue mich wie Emmett Brown, nachdem sein DeLorean die 185 Meilen pro Stunde erreicht hat und Einstein der erste zeitreisende Hund der Geschichte wurde. Ok, ob das Blubbern auch etwas bringt, weiß ich noch gar nicht aber alleine, dass irgendwas passiert... mein Chemie-Lehrer Winnie Wagner wäre stolz.

 

Ich lasse es weiter Blubbern und kümmere mich erstmal um andere Sachen. Die Zeitangaben für ein solches Experiment schwanken im Internet sehr. Irgendwas zwischen 1 und 48 Stunde scheint demnach richtig zu sein. Ich werde einfach regelmäßig den Fortschritt überprüfen. Und tatsächlich, schon nach kurzer Zeit (ca. 30min) hat sich der erste Rost gelöst. Ich lasse die Teile ca. 2-3 Stunden in dem Bad. Danach ist viel vom Rost verschwunden, einige Stellen sind jetzt nicht mehr braun sondern schwarz. Unter heißem Wasser lässt sich das meiste davon mit einer Bürste abwaschen. Ich wiederhole die Prozedur noch zweimal, dann haben alle Teile der Scheinwerferreinigungsanlage das Spa im Jacuzzi hinter sich und sehen -zwar nicht wie neu- aber doch deutlich besser als noch heute morgen aus. Ich bin zufrieden, aber eins muss jetzt noch getestet werden: lässt sich die Welle jetzt von der Metallplatte (Schieber, Gleitschiene) lösen? Gleiche Aktion wie vor ein paar Tagen: Schieber im Schraubstock einspannen, vorsichtige Schläge mit dem Hammer. Zack. Welle ab. Yeah, ich werde heute noch dem Galvanik-Gott ein Zink-Lämmlein als Opfer erbringen!

 

 

Dauer der Arbeiten (netto): 2 Stunden

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Kommentare: 2
  • #1

    Hennes (Montag, 17 Februar 2020 19:10)

    Es waren 88 Meilen im Delorean Bro ;-)

  • #2

    Willi aus LEV (Dienstag, 18 Februar 2020)

    "und außerdem habe ich hinter der Säule gesessen und musste häufig Kreide holen"; Großartig Thomas, einfach großartig!