Wer bremst, verliert (pt 2) / Lamellenvorhang auf

Urlaub und Wochenende sind vorbei, deshalb steht leider nicht mehr so viel Zeit für Flip zur Verfügung. Immerhin, heute ist homeoffice Tag und ich kann die Mittagspause für ein paar schnelle Arbeiten nutzen und habe zusätzlich am Abend noch etwas Zeit, da ich nicht wie sonst erst zu spät und von der DB genervt nach Hause komme.

 

Also, weiter geht’s mit der Bremse. Vorne wird schon nicht mehr gebremst, hinten zumindest noch ein wenig. Der Aufbau der Hinterradbremse ist etwas anders als vorne, da hier zusätzlich die Feststellbremse untergebracht ist. Wir haben also quasi eine Scheibenbremse für die „normale“ Bremsung und zusätzlich bzw. im gleichen Bauteil eine Bremstrommel, für das sichere Parken. Als erstes nehme ich die Bremssättel der Scheibe ab. Das funktioniert im Prinzip genauso wie auch vorne, also erstmal Schlauch weg. Da die Muttern hier extrem fest sitzen und ich keine Zeit habe, den Rostlöser wirken zu lassen, schneide ich die Schläuche mit einem Seitenschneider durch. Kommen eh neue dran, also warum soll ich mich rumärgern. Die Sättel selber sind auf der Innenseite mit je zwei 19er Schrauben gesichert. Nach dem Lösen fallen mir die Sättel in den väterlichen Schoß. Süß. Im Gegensatz zur Vorderradbremse sind die Beläge hier deutlich abgenutzt, auf der linken Seite zudem extrem ungleichmäßig. Auch die Scheiben sehen nicht mehr frisch aus. Gute Sache also, hier mal Hand an zu legen. Apropos Scheibe… die ist in der Nabe lediglich durch eine lange 13er Schraube mit Scheibe verschraubt, die eigentliche Sicherung erfolgt im zusammengebauten Zustand durch die Radschrauben (nachträgliche Anmerkung der Redaktion: der letzte Satz ist Quatsch. Die Scheibe wird NUR durch die Radschrauben gehalten. Die lange 13er sichert die Nabe. Danke an den Hinweis von Markus1971). Und durch Rost. Rostlöser bring hier nicht viel, der Hammer muss her. Ich weiß, da muss man vorsichtig sein, insbesondere, wenn man die Scheibe danach noch einmal für etwas anderes als einen Werkstatt-Adventskranz benutzen will. Will ich aber nicht, das Ding kommt eh nicht mehr drauf. Also erstmal ein bißchen prellen und –da das offenbar nicht reicht- ein beherzter Schlag von hinten. Zack. Ab.

 

Dann leider die schnelle Erkenntnis, dass es an dieser Stelle heute nicht mehr weitergehen wird. Für das Abnehmen der weiteren Teile (Bremsbacken der Feststellbremse etc.) benötige ich ein Spezialwerkszeug namens Bremsfeder-Einbauwerkzeug. Bestellung ist unterwegs, teilt mir amazon wenig später mit, aber heute muss ich die verbliebene Zeit mit anderen Arbeiten füllen.

 

Es gibt noch genug zu tun, also ist schnell adäquater Ersatz gefunden. Die Lamellenfenster nebst Chromrahmen stören mich noch, die müssen weg. Da ich die Fenster im letzten Jahr schon einmal restauriert habe, ist der Ausbau kein größeres Problem, zumal die schwierigste Vorarbeit schon getan ist (nämlich das Ausbauen der Seitenverkleidungen). Zunächst nehme ich noch die schwarzen Anbauteile am oberen Ende der inneren Seitenwand hinter der gedachten B-Säule ab. 5 Schrauben je Seite wandern zusammen mit dem Teil in kürzester Zeit in den Karton. Die Lamellen und der Rahmen sind an insgesamt 7 Punkten mit Karosserie oder miteinander verschraubt (teilweise oben recht versteckt, siehe Fotos). Am besten, zunächst das kurze Stück der Verkleidung am vorderen Ende abziehen (ist nur gesteckt), damit es nicht zerkratzen kann. Danach die Schrauben nacheinander lösen und das Fenster nach innen, den Rahmen nach außen entnehmen. Damit der Rahmen nicht runterfällt, empfehle ich, ihn mit einem Klebestreifen vorher am Dach zu fixieren. Alles ordentlich in Knisterfolie einpacken (für den Spaßfaktor natürlich ein paarmal knistern nicht vergessen) und alels zusammen im großen Karton an sicherer Stelle im Lager verstauen.

 

Letzte Aktion des Tages ist die Fortführung eines Kampfes, den ich vor über einem Jahr begonnen habe. Mit einer Schraube. Relativ klein, aber die gemeinste Schraube, die mir je untergekommen ist. Sie hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Einstiegsleiste der Fahrerseite mit ihrem Leben zu verteidigen. Zu dem Zweck hat sich sich im Laufe der Jahrzehnte beharrlich am Innenschweller festgerostet. Das und mein Schraubenzieher halfen ihr, sich ihres Kreuzschlitzes zu entledigen, wodurch sie ihre Position clever verteidigt hat. Ich habe vor einem Jahr also schon versucht, ihr mit diversem anderen Werkzeug zu Leibe zu rücken. Rostlöser (ca. 1 Liter), Hitze, schließlich Bohrer und Schraubenausdreher in verschiedensten größen. Alles hat –selbst in Kombination- nichts gebracht. Wenn ich richtig gezählt habe, sind dabei 5 Bohrer und ein Schraubenausdreher über die Wupper gegangen (sprich abgebrochen oder im wahrsten Sinne des Wortes abgestumpft). In den letzten Tagen hatte ich immer wieder mal mit anderen Bohrer mein Glück versucht, kein Weiterkommen. Und wir reden hier über wirklich gute Bohrer in Industriequalität. Keine Ahnung, was das ist, ich habe sowas noch nicht erlebt. Kurz, bevor ich also aufgebe und die Leiste einfach durchflexe, finde ich im Keller eine kleine, unscheinbare Kiste mit etwas merkwürdig aussehenden Bohrer, die vermutlich meinem Dad gehören. Die Bohrer erinnern ein wenig an eine Mischung aus Stufen- und Kegelsenkbohrer. Ich glaube eigentlich schon nicht mehr an eine glückliche Wendung, probiere es aber trotzdem. Und was soll ich sagen?! Angesetzt und fast augenblicklich zeigen sich daneben kleine Metallspäne. Ich kann es gar nicht glauben und lege den Bohrer ehrfürchtig zur Seite. Tatsächlich, die Bohrung hat sich verändert. Und zwar zu meinen Gunsten. Jetzt bist Du dran! Ich nehme die nächste Größe und mache weiter und nicht mal eine Minute später kann ich die Leiste abnehmen. Eine kleine Träne der Rührung kullert über meine Wange. Ich lege die Bohrer zurück in ihre Kiste und verspreche, im Frühjahr ein Denkmal zu ihren Ehren im Garten zu errichten.

 

Ein kleiner Wermutstropfen bleibt: wie nicht anders zu erwarten hat sich hier der Rost breit gemacht. Nur sehr lokal auf vielleicht 5cm Länge, aber hier sorgt er dafür für gute Durchsicht ins innere des Schwellers (der innen erstaunlicherweise fast neuwertig auszusehen scheint). Muss also zumindest ein kleiner Teil eingeschweißt werden. Mehr werde ich sehen, wenn der Teppich an dieser Stelle entfernt ist. Aber das kommt nicht mehr heute sondern in den nächsten Tagen.

 

 

 

Dauer der Arbeiten: 1 Stunde

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Kommentare: 4
  • #1

    Willi (Donnerstag, 09 Januar 2020 14:47)

    "Eine kleine Träne der Rührung kullert über meine Wange" .... Großartig Thomas!

  • #2

    Frank (Donnerstag, 09 Januar 2020 22:10)

    Machst du echt gut, sowohl das Projekt wie auch den Bericht. �

  • #3

    Markus1971 (Freitag, 10 Januar 2020 00:52)

    Hallo Thomas,

    qualitativ sehr hochwertige Bilder, mach gerne mehr davon, du zeigst auch schön die Details, für mich ist das sehr hilfreich, da ich ebenfalls mit einer SLC Restauration beschäftigt bin und meine Bilder eher weniger geordnet habe, daher kommen deine Bilder von einem Wagen, der offenbar noch unberührt war, sehr gut an, da sieht man wenigstens, wie es original mal ausgesehen hat.
    Mich irritiert das 2. Bild etwas, bzw. eher deine Textaussage, dass die im 2. Bild zu sehende Schraube mit Scheibe die Bremsscheibe hält (?), dem ist nicht so, diese zentral angeordnete Schraube fixiert die Antriebswelle in der Radnabe, die Scheibe ist ein Federteller zur Sicherung, diese Schraube hat mit dem Bremsscheibenwechsel nichts zu tun. Da solltest du mal im Werkstatthandbuch nachsehen, mit welchem Drehmoment sie angezogen wird (Schraube und Scheibe evtl. sogar erneuern).
    Die Federn für die Bremsbacken der Feststellbremse kann man mit etwas Übung auch mit einem langen Schraubendreher als Hebel aufziehen, für die kleinen federn, die die Bremsbacken gegen den Radträger drücken, kann man ein geschlitztes Röhrchen nehmen, da lohnt eigentlich der Kauf einer Zange nicht, soll jetzt keine Kritik sein, nur meine persönliche Erfahrung :-). Freut mich für dich, das die Korrosionsschäden nur lokal sind, das habe einige Bilder schon vermuten lassen, dass der Wagen eine gute Substanz zu haben scheint (auf einem Bild sieht man den linken Schwellerkopf => hier ist die Falz noch original, gutes Zeichen!)

    Viele Grüße Markus

  • #4

    Thomas (Freitag, 10 Januar 2020 07:51)

    Hallo Markus,

    Danke für Deinen Hinweis zu der Schraube im 2. Bild. Du hast natürlich Recht, die sichert nur die Nabe auf der Welle (oder umgekehrt) und nicht die Bremsscheibe.
    Vielen Dank auch für die Blumen bzgl. des Blogs und der Fotos. Falls Du Bilder von speziellen Teilen oder Ansichten benötigst, sag gerne Bescheid. Da wo die hier herkommen sind noch mehr ;-) Schaue dann gerne nach, ob ich etwas auf meiner Festplatte finde. Das gilt natürlich auch für alle anderen, die hier mitlesen.
    VG
    Thomas